Spiegeltherapie

Die Spiegeltherapie ist ein neurophysiologisch nachgewiesenes Therapieverfahren, welches mit Hilfe von Imagination über einen Spiegel physiologische Bewegungen anbahnen und Schmerzen reduzieren soll. Sie wird angewandt bei Patienten mit CRPS oder nach einem Schlaganfall.

Wie wird die Spiegeltherapie angewendet?

Bei CRPS und auch Phantomschmerz aufgrund z.B einer Amputation kann die gesunde Seite die schmerzhaft gefühlte Position einnehmen und in eine physiologische angenehme Position bewegen. Durch die Spiegelung entsteht die Illusion, die betroffene Seite würde die Bewegung ausführen. Des Weiteren können auch hier sensorische Reize und Medien eingesetzt werden.

Spiegeltherapie Fuss rund
Quelle unbekannt

Wichtigstes Therapiemittel ist der Spiegel. Dieser wird exakt an der Körpermitte des Patienten platziert, so dass die betroffene Extremität sich hinter dem Spiegel befindet. Die gesunde Extremität befindet sich vor dem Spiegel, sodass sich diese spiegelt. Es entsteht eine Illusion, in welcher die gesunde Extremität die betroffene Extremität zu ersetzen scheint. Bei einer Lähmung oder Sensibilitätsstörung führt der Patient mit der gesunden Extremität einfache Bewegungen bis hin zu ganzen Handlungen aus. Durch die Spiegelung kommt es zu der Illusion, die betroffene Seite würde die Bewegung ausführen. Dabei kann gleichzeitig der Therapeut die Bewegung mit der betroffenen Extremität führen. Weiterhin können sensorische Reize auf der gesunden Seite (z.B. Igelball, Massagebürste) eingesetzt werden.

Was bewirkt Spiegeltherapie?

Bereits die Vorstellung einer Bewegung führt im Gehirn zu entsprechenden neurologischen Aktivitäten im betroffenen Areal. Durch die Illusion im Spiegel sowie durch spezielle sensorische und motorische Reize werden Hirnareale, welche für die entsprechende Bewegung oder den Schmerz der betroffenen Extremität verantwortlich sind, stimuliert. Für den Erfolg der Therapie ist die mehrmalige Wiederholung entscheidend.

Was sind Ziele der Spiegeltherapie?

Je nach Diagnose unterschieden sich die angestrebten Ziele. Zum einen sollen Schmerzen reduziert werden. Zum anderen soll bei Lähmung, hervorgerufen z.B durch einen Schlaganfall, ein physiologischer Muskeltonus und verloren gegangene Funktionen und Bewegungen angebahnt werden.

Spiegeltherapie: Von der Illusion zum digitalen Training

Spiegeltherapie Hand
Quelle unbekannt

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Spiegeltherapie ist eine moderne Therapiemethode in der neurologischen Rehabilitation. Sie kommt zum Beispiel bei CRPS und Schlaganfall oder bei schmerzhaften Bewegungseinschränkungen zum Einsatz.
  • Das Prinzip beruht auf einer Illusion, indem Bewegungen des “gesunden” Armes/Beines im Spiegelbild beobachtet werden. Durch konzentriertes Üben entsteht der Eindruck, dass sich der betroffene Arm/das Bein normal bewegt.

Das positive visuelle Feedback führt zur spezifischen Aktivierung von betroffenen Hirnregionen und trägt zum motorischen Lernen bei. Studien belegen, dass sich die Motorik, Sensibilität und Wahrnehmung sowie Schmerzen verbessern.

Wichtig ist, dass das Training gerade in den ersten Monaten intensiv durchgeführt wird. Vielen PatientInnen fällt es schwer, sich über längere Zeit zu konzentrieren und selbst zu motivieren. Zudem gibt es Lücken in der ambulanten Nachsorge.

Genau hier setzt die digitale Spiegeltherapie an: Mit Hilfe neuer Technologien für mobiles Training und Integration von Spielen wird die bisherige Therapie gerade auch zu Hause unterstützt und das Dranbleiben mit Spaß beim Üben erleichtert.

Mobilität ist Trumpf! Digitale Gesundheitsanwendungen sind auch in der REHA auf dem Vormarsch. Sie können einen großen Beitrag leisten um die Genesung zu fördern und einen schnelleren Wiedereinstieg in ein selbstständiges Leben ermöglichen.

Das Prinzip der Methode basiert auf Illusion: Die Patienten führen vor einem Spiegel in der Körpermitte Übungen mit ihrem “gesunden” Arm/Bein durch und beobachten dabei ihr Spiegelbild. Es entsteht der Eindruck, als würde sich der betroffene Arm/das Bein beschwerdefrei bewegen. Durch dieses positive visuelle Feedback werden gezielt bestimmte Hirnregionen und Lernprozesse aktiviert.

Die Spiegeltherapie ist eine spezielle Form der kognitiven Therapie. Sie ist einem mentalen Training ähnlich, stellt jedoch ein “intensiveres Hirntraining” dar.

Weshalb wird die Spiegeltherapie beim CRPS eingesetzt?

Die CRPS-Erkrankung hat vielfältige und zum Teil gravierende Auswirkungen im Leben der Patientinnen und Patienten. Je nach Schweregrad und Einschränkungen von körperlichen, kognitiven und psychischen Funktionen führen Erkrankungsfolgen nicht nur im Alltag zu erheblichen Beeinträchtigungen. Sie stellen auch in den Therapien, in der REHA und Nachsorge besondere Herausforderungen dar.

Die Spiegeltherapie hat sich hier als eine sehr wirksame und effiziente Therapie herausgestellt. Sie kann die Spontanerholung in der Akutphase unterstützen und PatientInnen helfen, bestimmte Funktionen und Aktivitäten zu verbessern bzw. wieder neu zu lernen und ihre Selbstständigkeit wiederzuerlangen.

Je frühzeitiger eine adäquate Therapie beginnt, desto eher kann der Krankheitsverlauf und die Prognose insgesamt positiv beeinflusst werden.

Welche Symptome können mit der Spiegeltherapie behandelt werden?

Jeder Mensch spricht anders auf die Spiegeltherapie an. Es hat sich allerdings gezeigt, dass insbesondere schwere Lähmungen, Einschränkungen der Wahrnehmung und schmerzhafte Bewegungseinschränkungen gut darauf ansprechen. Diese sind durch “klassische” Therapieverfahren oftmals nur unzureichend behandelbar. Dies alles ist für die Patientinnen und Patienten mit erheblichen Beeinträchtigungen Ihrer Autonomie, Lebensqualität und selbstbestimmten Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben verbunden.

Ziele und Nutzen der Spiegeltherapie

Ein wichtiges Ziel der Spiegeltherapie ist es, verloren gegangene Funktionen wiederherzustellen und die Selbstständigkeit zur Alltagsbewältigung wiederzuerlangen. Durch einen intensiven REHA-Prozess gelingt es in nicht wenigen Fällen, dass Betroffene ihren privaten Aktivitäten im Familien- und Freundeskreis, Hobbys und ihrer Arbeit oder einer anderen Tätigkeit in angepasster Weise wieder nachgehen können.

Die Spiegeltherapie ist in der stationären Behandlung Teil eines interdisziplinären, multimodalen REHA

-Konzeptes und kann später in der ambulanten Therapie und Nachsorge selbstständig in den eigenen vier Wänden fortgesetzt werden.

Ihr Ziel und Nutzen liegt darin, motorische Funktionen zu verbessern und Bewegungen des betroffenen Armes/Beines zu fördern. Ein weiterer Schwerpunkt liegt darauf, das Empfinden und die Wahrnehmungsfähigkeit wiederherzustellen und Schmerzen zu reduzieren.

Bei dieser Therapieform werden Patientinnen und Patienten von Anfang an aktiv gefordert und gefördert. Es werden gezielt Funktionen, Fähigkeiten und Fertigkeiten trainiert, was es ihnen erleichtert, ihre Selbstständigkeit im Alltag zurückzugewinnen.

Wie funktioniert die Spiegeltherapie?

Die praktische Umsetzung funktioniert auf einfache Weise:

  • Ein ausreichend großer Spiegel wird vor der Patientin oder dem Patienten mittig zwischen den Armen oder Beinen platziert. Und zwar so, dass die betroffene Körperseite dahinter vollständig verdeckt ist.
  • Wichtig ist es, dass der betroffene Arm/das Bein auch beim Üben nicht sichtbar ist und nicht angesehen wird, z. B. um Aktivität zu mitzuverfolgen
  • In dieser Position wird nun ein Trainingsprogramm nach therapeutischer Anleitung mit verschiedenen motorischen und sensorischen Übungen durchgeführt.
  • Die Patientin bzw. der Patient wird dabei aufgefordert, das Spiegelbild zu betrachten und konzentriert die Bewegungen mit dem gesunden Arm/Bein zu beobachten, die im langsamen Tempo ausgeführt werden.
  • Mit der Zeit entsteht der Eindruck, dass sich der betroffene Arm/das Bein normal mitbewegt.
  • So einfach wie die Umsetzung ist, erfordert es dennoch Anstrengung, diese Vorstellung zu entwickeln. Diese kognitive Leistung wird unterstützt und geübt durch bewusstes Einlassen und virtuelles Training.

Welche Übungs- und Steigerungsmöglichkeiten gibt es?

Das Training ist über verbale Anleitung (über Sprachführung) oder/und geführte Bewegung möglich. So kann mit therapeutischer Hilfe zusätzlich ein passives oder assistives Mitbewegen des betroffenen Armes/der Hand hinter dem Spiegel erfolgen.

Bei weniger schweren Schmerzen und Einschränkungen können aktive Übungen ergänzt werden, um von einfachen zu symmetrischen Funktionsbewegungen überzugehen sowie komplexe Alltagsbewegungen zu imitieren und zu trainieren. Die Möglichkeiten zur Variation und Steigerung sind zahlreich.

Wenn Patienten unterfordert sind, können z. B. Objekte und Werkzeuge einbezogen werden, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, indem zusätzliche Reize gesetzt werden. Zum Beispiel können bei einer Armlähmung mit eingeschränkter Hand- und Fingerfunktion Greifübungen mit dem Ertasten von verschiedenen Gegenständen und Oberflächen kombiniert werden.

Genauere Übungsanleitungen und Hinweise: z. B. hier:

  • Bieniok A. et al. (2011): Spiegeltherapie in der Neurorehabilitation. 2.Auflage, Idstein: Schulz-Kirchner Verlag. 
  • Dohle C. (2011): Spiegeltherapie. In: Neurorehabilitation nach Schlaganfall. Mehrholz J. (Hrsg.), S.71-80, Stuttgart: Thieme-Verlag.
  • Dohle C. (2011): Spiegeltherapie. In: Motorische Therapie nach Schlaganfall. Von der Physiologie bis zu den Leitlinien. Dettmers Ch. & Stephan K.M. (Hrsg.), S.134-146, Bad Honnef: Hippocampus Verlag.
  • Dohle C. (2011): Spiegeltherapie. In: Handfunktionsstörungen in der Neurologie. Nowak D. (Hrsg.), S.244-246, Berlin Heidelberg: Springer-Verlag. 
  • Dohle C. et al. (2011): Spiegeltherapie. neuroreha. 3.Jahrgang, Nr.4, S.184-190.
  • Grünert & Grünert-Plüss (2011): Spiegeltherapie in der Handchirurgie. In: Handchirugie. Towfigh H. et al., Band 2, S. 1802-1804, Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.

Neurophysiologie: Welche Wirkmechanismen stecken dahinter?

Die Spiegeltherapie versetzt PatientInnen in eine virtuelle Realität und nutzt den Effekt der Illusion einer wiederhergestellten Funktion. Wird – wie im Bild beispielhaft gezeigt – mit der rechten, “gesunden” Hand geübt und diese im Spiegelbild betrachtet, wirkt es so, als sei dies die linke, beeinträchtigte Hand.

Die gespiegelte Bewegung aktiviert spezifisch bestimmte Hirnregionen auf der gegenüberliegenden Seite, die für motorische und sensorische Funktionen wie Bewegung, Wahrnehmung und Schmerzempfinden zuständig sind.

Spiegeltherapie Fuss
(c) Stefan Lindner

Zu den genauen Hintergründen gehen wir auf die wichtigen Aspekte näher ein:

Die Kraft der Imagination

Tatsächlich können viele Patientinnen und Patienten durch intensives Üben mit der Zeit bewegungsunfähige Körperteile wieder besser bewegen oder wahrnehmen und sie empfinden weniger Schmerzen. Der Effekt der Spiegel-Illusion verstärkt sich, je besser sich jemand auf das Beobachten konzentrieren und in diese Vorstellung hineinversetzen kann. Das erfordert regelmäßiges Training in virtueller Realität.

Wie kann es zu einer Verbesserung der Funktion durch eine optische Täuschung kommen, obwohl der Arm an sich “nicht richtig funktioniert”?

Hier spielen mehrere Wirkmechanismen eine Rolle, deren Effekte im Zusammenhang mit der Spiegeltherapie noch nicht vollständig geklärt sind. Doch es gibt plausible Erklärungsansätze und Theorien, die in den letzten Jahren mittels klinischer Studien und moderner Diagnostik näher erforscht wurden.

Die Veränderung der Körperrepräsentation im Gehirn (Körperschema)

Eine wesentliche Erkenntnis ist: Ursächlich für die sensomotorische Fehlfunktion und Vernachlässigung des betroffenen Armes/Beines mit gelerntem Nicht-Gebrauch ist eine veränderte Repräsentation des Körpers im Bereich der Großhirnrinde.

Das Gehirn ist mit seinen Milliarden von miteinander verbundenen Nervenzellen in unterschiedliche Regionen unterteilt, die verschiedene Funktionen haben. So sind bestimmte Hirnregionen zuständig für die Wahrnehmung von Bewegung, Sinneseindrücken, Berührung und Schmerzen. In den einzelnen Hirnregionen werden Signale aus dem Körper verarbeitet – und andersrum findet eine zentrale Steuerung von Körperfunktionen im Bereich der Arme und Beine statt.

Als Hilfskonstrukt kann die Vorstellung dienen, dass Gehirnregionen den Körperteilen zugeordnet werden, für die sie jeweils zuständig sind. Dies folgt einem anatomisch-funktionellen Körperschema, einer Art Bauplan, nach dem einzelne Körperregionen, z. B. Hände und Füße, auf der Großhirnrinde repräsentiert sind. Der lateinische Begriff für dieses Konstrukt ist Homunculus (“Menschlein”), unterschieden wird ein motorischer und sensorischer Homunculus.

Das Gehirn legt diese Repräsentationsareale für motorische und sensorische Körperfunktionen auf neuronaler Ebene in bestimmten Rindenregionen an. In der Vernetzung mit anderen Arealen erfolgt z. B. die Kopplung von motorischen und höheren kognitiven Funktionen (wie Bewusstsein, Absicht) zur Bewegungsplanung unter visueller Kontrolle. So koordinieren mehrere Hirnareale komplexe motorische und sensorische Funktionen miteinander, damit beispielsweise das Greifen nach Gegenständen mit einer Hand und das Anheben einer Tasse flüssig abläuft. Und so können wir unsere Körperteile fühlen und unterscheiden, wenn Bewegungen ausgeführt werden. Diese Muster und die Art und Weise, wie Wahrnehmungs- und Steuerungsprozesse zentral reguliert werden, verändern sich durch Lernprozesse.

Durch Erkrankungen können sich diese Repräsentationsareale ebenfalls verändern und schrumpfen. Dadurch kann es zu Wahrnehmungs- und Bewegungsstörungen der entsprechenden Körperregion kommen, möglicherweise begleitet von Missempfindungen wie Kribbeln, Taubheit oder/und Schmerzen.

Das Besondere an der Spiegeltherapie

In der physischen (“echten”) Realität – und bei klassischen therapeutischen Ansätzen – führt eine motorische Beeinträchtigung des Armes zu einem fehlerhaften visuellen Input in der zuständigen Hirnregion. Denn bei jedem Bewegungsversuch sieht der Patient oder die Patientin auch die fehlerhafte oder ausbleibende Bewegung. Das wird als Information zentral verarbeitet und als fehlerhaft im Gedächtnis speichert. Die Körperrepräsentation verkümmert und die Betroffenen verlieren das normale Körpergefühl.

Eine gezielte Aktivierung der zuständigen Hirnareale für die motorische Funktion kann nur durch willkürliches Bewegen des Armes erreicht werden. Ansonsten ist Lernen nicht oder nur schwer möglich.

In der virtuellen Realität des Spiegeltherapie-Trainings erhält das Gehirn hingegen durch die gespiegelte Bewegung des gesunden Armes/Beines nun wieder positives visuelles Feedback für eine Funktion, die mit dem betroffenen Arm durch die Lähmung nicht mehr möglich ist. Das funktioniert in ähnlicher Weise auch, wenn die Bewegung schmerzbedingt beeinträchtigt ist.

Wird mit der gespiegelten Bewegung der rechten Hand die linke beeinträchtigte Hand imitiert, werden im Gehirn die betroffenen Areale der rechten Hemisphäre angeregt. Die Wiederherstellung des Körperschemas wird unterstützt.

Auf diese Weise wird motorisches Lernen nachweislich begünstigt. Dadurch wird es den Betroffenen erleichtert, eine Bewegung (wieder) neu zu erlernen. Durch die Vorgänge können sich die Körperrepräsentation (teils) zurückbilden und Regionen für Bewegung, Wahrnehmung und Schmerzempfinden neu organisieren.

Der wesentliche Vorteil der Spiegeltherapie gegenüber herkömmlichen Therapieverfahren: Durch die Illusion findet eine gezielte Aktivierung von betroffenen Hirnregionen im Bereich der Körperrepräsentation statt. Es kann auch ohne eine Bewegung des beeinträchtigten Armes/Beines trainiert werden. Das positive Feedback der gespiegelten Bewegung ermöglicht das visuell gekoppelte motorische Lernen und erleichtert die Wiederherstellung verloren gegangener Funktionen. Da die Hirnaktivität hierbei geringer ist, als sie es bei der willkürlichen Bewegung der betroffenen Seite wäre, werden zudem erlebte Schmerzerfahrungen im Zusammenhang mit Bewegung weniger aktiviert. Das bietet einen anderen Zugang und eine Chance in schwierigen Fällen.

Die Bedeutung der Spiegelneuronen

Die sogenannten Spiegelneuronen sind spezielle Nervenzellen, die beim Erkennen und Nachahmen von Bewegungen, sowie beim motorischen Lernen beteiligt sind. Sie sind selbst dann aktiv, wenn wir nur Bewegungen und Berührungen bei anderen Menschen beobachten. Daher kann die Stimulation wirkungsvoll sein, sogar wenn keine Bewegung möglich ist. Offenbar können auch Bewegungsmuster und Handlungen durch Neuprogrammierung wieder oder neu gelernt werden. Und durch indirektes Training lassen sich erlernte Schmerzerfahrungen vermindern.

Die Lernfähigkeit und Plastizität des Gehirns

Heute wissen wir: unser Gehirn lernt zeitlebens dazu. Es ist bis ins hohe Alter in der Lage, sich neu zu organisieren und weiterzuentwickeln, wenn wir aktiv bleiben und es beanspruchen. Die Spiegeltherapie ist ein Paradebeispiel dafür. Damit hat man nachgewiesen, dass spezifisches Hirntraining motorisches Lernen unterstützt.

Anders als früher angenommen können sich Hirn- und Nervenfunktionen auch regenerieren. Zumindest in den Bereichen, wo keine irreversiblen Hirnschäden eingetreten sind. Die Erholung ist mit der Ausbildung neuer Nervenverbindungen, den sogenannten Synapsen, verbunden. Zahlreiche Veränderungen laufen in dem überaus komplexen und sich selbst organisierenden Netzwerk ab. In der Regeneration organisieren sich Strukturen neu, betroffene Areale des Körperschemas können wiederhergestellt werden. Zum Teil sind eingeschränkte Funktionen durch “Umlernen” kompensierbar.

Diese Eigenschaft des Gehirns zur strukturellen Regeneration wird neuronale Plastizität genannt und ist durch elektrophysiologische Untersuchungen nachweisbar. Erfolgt die rehabilitative Übungsbehandlung zum Zeitpunkt dieser Vorgänge, sind die größten Effekte zu erwarten. Gerade in der ersten Zeit kann die Spiegeltherapie die spontane Rückbildung und Genesung wirksam unterstützen.

Die Wirksamkeit ist durch Studien gut belegt

Die Spiegeltherapie und klinische Effekte wurden erstmals 1996 von Professor Ramachandran und Mitarbeitern bei Phantomschmerzen nach Armamputation beschrieben. Zusammen mit Altschuler veröffentlichte er daraufhin 1999 eine Pilotstudie an neun chronischen Schlaganfallpatienten mit dem Ergebnis, dass der Einsatz eines Spiegels auch zur Verbesserung einer Halbseitenlähmung führt.

Seitdem wurde die Spiegeltherapie auch bei anderen Krankheitsbildern eingesetzt und wissenschaftlich untersucht. Die meisten vorliegenden Studien beschäftigten sich mit der Wirksamkeit der Spiegeltherapie für die oberen Gliedmaßen. Zudem wurde vordergründig die Auswirkung auf die motorische Funktionserholung untersucht.

Die Forschung baute anfangs hauptsächlich auf kleine Anwendungsstudien und die klinische Beobachtung der Veränderung von Symptomen. Im Verlauf schlossen sich größere und längerfristig angelegte wissenschaftliche Arbeiten an. Und mit dem technologischen Fortschritt folgte der Einsatz von funktioneller Bildgebung wie fMRT und Elektrophysiologie. Die Erkenntnisse daraus brachten ein neues Verständnis über zugrundeliegende Mechanismen beobachteter Symptome und Zusammenhänge, und damit auch neue Ansätze für eine wirksame Behandlung. Durch die neueren Studien konnten die Effekte der Spiegeltherapie auch theoretisch besser erklärt und objektiv belegt werden.

So wurde es möglich, spezifische Muster der neuronalen Aktivierung bestimmter Hirnregionen unter der Bewegungsspiegelung zu analysieren. Mit modernen diagnostischen Verfahren gelang der Nachweis, dass und auf welche Weise verschiedene Interventionen auch direkt Einfluss auf Hirnfunktionen haben.

Durch die klinischen und neurophysiologischen Befunde wurden gleichzeitig die Therapieprotokolle weiter optimiert. Die Verbesserung der Studienqualität kam und kommt somit auch der Behandlungsqualität und den PatientInnen zugute.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Die Spiegeltherapie ist eine wirksame Therapieform nach einem Schlaganfall zur Verbesserung von motorischen Funktionen bei einer Halbseitenlähmung. Sie trägt zum motorischen Lernen und zur Regeneration der visuellen Körperrepräsentation bei und kann die

  • Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit und Gebrauchsfunktion,
  • Normalisierung der Sensibilität und Wahrnehmung beim Neglect und
  • die Reduktion von Schmerzen im betroffenen Arm/Bein unterstützen.

Bei einer Spastik scheint die Spiegeltherapie hingegen keinen langfristigen positiven Effekt zu haben.

Welche Patientinnen und Patienten profitieren von der Spiegeltherapie?

Viele Patientinnen und Patienten profitieren in der Rehabilitation von der Spiegeltherapie, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß. Das ist von vielen Faktoren abhängig, worauf im Folgenden noch eingegangen wird.

Grundsätzlich nimmt die Spiegeltherapie seit einigen Jahren an Bedeutung zu. Sie eignet sich zur Behandlung von einseitigen neurologischen Beeinträchtigungen, die durch unterschiedliche Krankheiten verursacht werden können.

Bei CRPS liegt das Augenmerk hauptsächlich auf dem Einsatz bei:

  • Motorischen und sensorischen Störungen infolge der Lähmung eines Armes/Beines (Hemiparese / Hemiplegie) und
  • Wahrnehmungsstörungen der betroffenen Körperseite, Neglect.

Gerade bei schwierigen Fällen scheint die Spiegeltherapie anderen Therapieformen überlegen zu sein. Studien, die klinische Veränderungen und Befunde mittels Bildgebung untersuchten, weisen nach Ansicht des Neurologen und Experten für Spiegeltherapie Dr. med. Christian Dohle zumindest darauf hin: “Die Spiegeltherapie ist vor allem zur Therapie jener Symptome interessant, bei denen über “klassische”, vorwiegend somatosensorisch orientierte Therapieverfahren nur schwer eine Aktivierung der betroffenen Hemisphäre erreicht werden kann.”

Es kann sich also lohnen, das Verfahren auszuprobieren. Besonders bei Betroffenen, bei denen anfangs eine schwere oder komplette Lähmung vorliegt, ist die Spiegeltherapie eine wirksame Strategie in den ersten Monaten.

Immerhin hinterlässt eine Armlähmung in über 50 Prozent der Fälle Einschränkungen der Arm- und Handfunktion. Demgegenüber ist die Prognose bei einer Beinlähmung günstiger. Viele Betroffene erholen sich in den ersten drei bis sechs Monaten und können danach auch wieder gehen.

Die Spiegeltherapie kann in der Früh- und Langzeitrehabilitation zum Einsatz kommen. Es gilt: Je früher begonnen wird, desto besser. Die ersten drei bis sechs Monate sind für die Rehabilitation die wichtigsten.

Beobachtung und Bewertung des Verlaufs

Dabei kommt es auch auf individuelle Voraussetzungen, Neigungen, Fähigkeiten, krankheitsspezifische Besonderheiten und die Einbettung in das gesamte REHA-Konzept an.

Weitere Anwendungsgebiete der Spiegeltherapie

  • Phantomschmerzen nach Amputation: Schmerz- oder Missempfinden in nicht mehr vorhandenen Gliedmaßen
  • komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS): bei CRPS Typ I (auch sympathische Reflexdystrophie genannt oder “Morbus Sudeck”) und CRPS-Typ 2 infolge einer Nervenläsion (< 10 %), auch als Schlaganfall-Folge
  • andere neuropathische Schmerzen: bei peripheren Nervenläsionen, z. B. nach schweren Verletzungen und komplexen handchirurgischen Eingriffen
  • andere neurologische Erkrankungen: mit motorischer Symptomatik und Wahrnehmungsstörung (z. B. Multiple Sklerose, Parkinson)

Voraussetzungen, Herausforderungen und Chancen in der ambulanten Nachsorge

Im Akutfall gilt es, keine Zeit zu verlieren – später geht es darum, so viel Zeit wie individuell nötig ist, in einen intensiven REHA-Prozess zu investieren. Damit sich so viele Funktionen so gut wie möglich erholen und die Langzeitfolgen gering ausfallen.

Eine der größten Herausforderungen ist es gleichzeitig, dass Patientinnen und Patienten nach der Entlassung aus der Klinik das Trainingsprogramm direkt fortsetzen. Das hat zum Teil strukturelle und Therapie-bezogene Gründe durch Versorgungslücken in der ambulanten Nachsorge. Auch individuelle und krankheitsspezifische Faktoren spielen eine Rolle. Einige Aspekte:

Individuelle Aspekte

All das funktioniert nur freiwillig und mit gutem Willen, jedoch nicht allein dadurch. Es ist auch die Übernahme von Selbstverantwortung nötig. Das baut auf Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, die durch solch ein einschneidendes Ereignis wie einem Schlaganfall oft erschüttert ist und erst wieder aufgebaut werden muss. Damit verbundene Ängste und Unsicherheiten brauchen ihren Raum und Resonanz durch unterstützende Beziehungen, ggf. auch professionelle psychosoziale Hilfe. Das Sicherheitsempfinden wächst durch emotionalen Halt, Verbundenheit, positive Erlebnisse und Erwartung der Selbstwirksamkeit (Zutrauen in die Fähigkeit, etwas zu schaffen) sowie durch Können.

Regelmäßiges Training stärkt die Kompetenzentwicklung. Individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten verbessern sich durch häufiges Wiederholen und Üben. Am Anfang erfordert das Training Überwindung, da die Übungen ungewohnt und anstrengend sind. Die Ausführung wird effizienter, sicherer und routinierter, je öfter geübt wird – beginnend mit kurzen und einfachen Übungen – und wenn neue Gewohnheiten und Bewegungsmuster in Alltagsabläufe integriert werden.

Zeit, Geduld, die passende Therapie und ein unterstützendes soziales Umfeld sind dabei wesentliche Pfeiler, um die Herausforderungen zu meistern. Angehörige können mental und emotional unterstützen, indem sie Verständnis zeigen und ermutigen, auch in schwierigen Zeiten nicht aufzugeben und dranzubleiben.

Krankheitsspezifische Aspekte

Spiegeltherapie Fuss

Auch aufgrund der körperlichen Einschränkungen kann es Patientinnen und Patienten schwerfallen, sich auf die Spiegeltherapie einzulassen. Das Selbstverständnis ist von Bedeutung, um ein achtsames Bewusstsein für sich und das Selbstmanagement der eigenen Gesundheit und Erkrankung zu entwickeln. Es kann krankheitsbedingt an der Fähigkeit zur Einsicht mangeln, sodass kein ausreichendes Problembewusstsein entwickelt werden kann und der Bedarf nicht erkannt wird. Kognitive Einschränkungen können das zusätzlich erschweren. Sie äußern sich z. B. in verminderter Konzentrations- und Gedächtnisleistung, eingeschränkter Merkfähigkeit bzw. Erinnerung, Unsicherheit in der Handlungsplanung, Problemen mit der Orientierung sowie in einer schnellen Ermüdbarkeit.

Dies ist anfangs nicht immer offensichtlich und mitunter schwierig, zu diagnostizieren. Dies gilt es, herauszufinden und mitzubehandeln, indem die Therapie an das individuelle Leistungsniveau und die Stimmung angepasst wird. Eine neuropsychologische und psychotherapeutische Begleitung im Intervall kann zusätzlich nötig und förderlich sein für den Therapieverlauf und den Genesungsprozess.

Denn auch wenn die objektivierbaren Leistungseinschränkungen nur gering ausgeprägt sein mögen, wirken sich kognitive Beschwerden psychisch-emotional und im psychosozialen Bereich aus. Dass sie nicht sichtbar sind, ist besonders tückisch, da Betroffene oft auf Unverständnis in ihrem Umfeld stoßen. Es kann zudem zu depressiven Verstimmungen bis hin zu schweren Stimmungsschwankungen kommen.

Nicht geeignet ist die Spiegeltherapie bei instabilen psychischen bzw. psychiatrischen Erkrankungen wie einer schweren Depression, unzureichenden kognitiven Fähigkeiten und bei fehlender Krankheitseinsicht. Auch ein Neglect stellt PatientInnen, Angehörige und Behandelnde vor besondere Herausforderungen, wenn Betroffenen mitunter erhebliche Probleme haben, sich im Alltag selbstständig zurechtzufinden.

Daher ist es sinnvoll, die Spiegeltherapie als integralen Teil eines individuell maßgeschneiderten REHA- und Nachsorge-Konzeptes zu sehen. Wichtig ist, das Lebensumfeld und die strukturellen Rahmenbedingungen, Angehörige, die Familie, den engsten Freundeskreis und z. B. auch Selbsthilfegruppen in den Aktivitäten zum Selbstmanagement einzubeziehen. So kann das Ziel realisiert werden, die körperliche und psychosoziale Gesundheit gesamtheitlich zu verbessern, eine gute Lebensqualität so weit wie möglich wiederherzustellen – und eine vollumfängliche Teilhabe und Reintegration zu erreichen.

Allerdings stellt gerade die hochfrequente, kontinuierliche Umsetzung außerhalb der Klinik-Behandlung im Alltag häufig eine größere Herausforderung dar. Gerade in den ersten drei bis sechs Monaten sollten Patientinnen und Patienten mindestens 2-3 Stunden täglich trainieren. Dazu zählt auch das Spiegeltherapie-Training.

Aus der Praxiserfahrung bekommen manche Patienten, auch je nach Region, allerdings durchschnittlich nur eine halbe Stunde Therapie alle zwei Wochen. Durch den Mangel an verfügbaren, speziell ausgebildeten Fachpersonal oder Engpässen an Terminen wird auch das Spiegeltherapie-Training oft vernachlässigt. Ohne therapeutische Intervention ist es für die Patientinnen oft langweilig und eintönig.

Dies kann die Motivation verringern, im Alltag konsequent und motiviert am Ball zu bleiben, da die positiven Effekte und Ergebnisse der anstrengenden Therapie erst spät sichtbar werden oder ausbleiben. So wird der Verlauf schleppend. Verminderte Trainingsaktivitäten schwächen wiederum die nachhaltige Wirkung der Spiegeltherapie, da die neuroplastische Reorganisation im Gehirn und das motorische Lernen vor allem von einer hochfrequenten Therapie profitiert.

Gibt es bei der Spiegeltherapie Nebenwirkungen?

Die Spiegeltherapie ist allgemein gut verträglich, in der klassischen wie digitalen Form. Mit ernsten Nebenwirkungen ist nicht zu rechnen. Dennoch können, wenn auch selten, unerwünschte Reaktionen und Beschwerden auftreten.

Nebenwirkungen treten meist nur am Anfang der Therapie auf und bilden sich durch Gewöhnung an die Spiegelung und Technologien in der Regel schnell zurück.

  • Leichter Schwindel und Übelkeit: Das kann zu Beginn kurzfristig auftreten. Unterbrechen Sie in diesem Fall die Übung, schauen Sie nicht länger auf das Spiegelbild oder den Bildschirm bzw. nehmen Sie die Brille ab. Bleiben Sie sitzen oder setzen Sie sich. Konzentrieren Sie sich ein bis zwei Minuten lang auf einen fixen Punkt im Raum. Atmen Sie dabei ruhig ein und aus.
  • Gefühl von Unsicherheit und Koordinationsprobleme: Anwendungen in der virtuellen Realität und die Konzentration auf gespiegelte Bewegungen, insbesondere mit der VR-Brille, können bei der Erstanwendung Unsicherheit und koordinative Probleme im Umgang damit hervorrufen, psychisch und physisch. Das ist zum Teil dadurch erklärbar, dass man sich in einem digital erstellten Raum bewegt, der von der räumlichen Wahrnehmung und vom visuellen Eindruck der Bewegung neuartige Informationsreize setzt. Diese müssen erst im Gehirn verarbeitet werden.
  • Leichte Kopfschmerzen sind aus diesem Grund auch nicht ungewöhnlich. Ebenso kann es zu unerwarteten emotionalen und vegetativen Reaktionen kommen, z. B. Weinen oder Schwitzen. Das ist nicht schlimm. Bewahren Sie Ruhe, nehmen Sie sich Zeit. Spätestens nach ein paar Tagen sollte sich das wieder geben. Es bedarf ein wenig Übung. Jeder Mensch reagiert anders und braucht unterschiedlich lang. Und für einige ist es trotzdem nichts. Richten Sie sich nach Ihrem Tempo und Ihrem Befinden. Ein stufenweiser Einstieg kann solchen Beschwerden in den meisten Fällen wirksam vorbeugen.

Praxis-Tipps zur stufenweisen Eingewöhnung

  • Halten Sie sich an die therapeutische Anleitung, fragen Sie bei Bedarf nach.
  • Sorgen Sie für eine reizarme, störungsfreie Umgebung in einem möglichst ruhigen Raum.
  • Versuchen Sie, jede (potenzielle) Ablenkung zu meiden, z. B. durch ein Handy, Bilder an der Wand, Fensterblick bei Bewegung und Lärm draußen.
  • Machen Sie sich in Ruhe mit dem Aufbau und der für Sie optimalen Einstellung des Spiegels oder der Technologie vertraut. Orientieren Sie sich in der neuen virtuellen Umgebung. Fangen Sie dann erst an mit den Übungen.
  • Auch bei der verlockenden Vielfalt an Spielen gilt: eins nach dem anderen. Starten Sie mit dem geringsten Level, ohne zusätzliche Funktionen und Animationen. Finden Sie sich hinein, üben Sie mit den Grundeinstellungen, um sicher zu werden. Dann steht Ihnen die virtuelle Welt offen.
  • Beginnen Sie erst mal mit wenigen Minuten Training am Tag (z. B. 5 Min.).
  • Steigern Sie die Trainingszeiten langsam und Schritt für Schritt nach Ihrem Befinden (ca. 30 Minuten täglich).

Dokumentieren Sie Ihre Trainingseinheiten mit den jeweiligen Inhalten in einem Trainingsplan.

Das nächste Level: Spiegeltherapie im digitalen Zeitalter

Der Einsatz von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien stellt die nächste Stufe als innovative Weiterentwicklung der Spiegeltherapie dar.

Auch im Gesundheitswesen ist die Digitalisierung auf dem Vormarsch und findet immer mehr Einzug im Alltag und in der Praxis – von der Anwender-App bis zur umfassenden Software-Lösung. In der neurologischen Rehabilitation erweitern digitale Werkzeuge die therapeutischen Möglichkeiten und bieten ein unterschiedliches Ausmaß an Unterstützung in der Nachsorge.

Durch Rehabilitation verbessern sich neurologische Funktionen. Digitale Technologien können dies auf unterschiedliche und vielfältige Weise sinnvoll unterstützen.

Zum Beispiel mithilfe von: Video-basierten Bewegungs-Anleitungen, personalisierten Übungs- und Trainingsprogrammen, Spiele-Software, mobilen Geräte wie eine “VR-Brille” und Apps für Tablets.

Digitale Anwendungen verändern und erweitern die rehabilitativen Möglichkeiten grundlegend. Gerade die Vorteile von mobilem Training sind vielseitig. Sowohl für Betroffene als auch für die REHA-Kliniken und Therapiepraxen, die diese innovative Form der Therapie für ihre Patienten einsetzen.

Spiegeltherapie ohne Spiegel

Zur Spiegeltherapie gehört normalerweise ein zwischen den Händen oder Füßen aufgestellter Spiegel. Dieser ist aber zum Transport eher ungeeignet. Daher ist die Spiegeltherapie ist auch ohne einen Spiegel möglich, und zwar mit einer App auf dem Smartphone. So kann man die Spiegeltherapie an jedem Ort, zum Beispiel im Wartezimmer, im Bus oder auch anderswo, durchführen: Mit den Smartphone Recognize-Apps der noigroupTM aus Australien.

(c) CRPS Selbsthilfe Köln | Bremen

Es gibt jeweils eine App für verschiedene Körperregionen:

  • Recognize Hand
  • Recognize Foot
  • Recognize Back
  • Recognize Shoulder
  • Recognize Neck
  • Recognize Knee

Hinweis: Die App für die Hand heißt auf dem IPhone einfach nur „Recognize“

In der App kann man verschiedene Therapieformen auswählen:

  • Left Right Discrimination (Stärkung der Links-/Rechts-Erkennung)
  • Memory (Memory-Spiel zur Suche von Bilderpaaren)
  • Speed Match (Geschwindigkeitstest, Erkennung von linken oder rechten Händen)

Die Apps sind auf allen Smartphones über die jeweiligen Appstores zu beziehen. Die Kosten liegen um 5-10 Euro pro App. Einfach auf den passenden Button klicken.

Historie der Spiegeltherapie

Spiegeltherapie wurde erstmals 1996 von dem Inder Vilayanur S. Ramachandran bei Phantomschmerzen nach Amputation einer oberen Extremität eingesetzt. Das Spiegelbild der nicht betroffenen Hand gab den Teilnehmern die Illusion von zwei vorhandenen Extremitäten. Die Teilnehmer konnten sogar teilweise Sinneseindrücke, wie Berührungs- und Bewegungsempfinden in der amputierten Extremität wahrnehmen. Seit diesem Zeitpunkt wurde die Spiegeltherapie erfolgreich für mehrere Krankheitsbilder eingesetzt und konnte in vielen Fällen Schmerzen reduzieren und Bewegungseinschränkungen beseitigen.

Wirkungsweise einer Spiegeltherapie

Die Wirkweise liegt einerseits in der Lernfähigkeit und Formbarkeit (Plastizität) unseres Gehirns. Das Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die miteinander verbunden sind. In der Hirnregion, die für unsere Wahrnehmung von Berührung und Bewegung verantwortlich ist, befinden sich sogenannte „Repräsentationsareale“ verschiedener Körperregionen. Diese Anlage von Körperarealen im Gehirn ist vergleichbar mit einem Bauplan unseres Körpers und wird als Körperschema bezeichnet. Wir fühlen und unterscheiden also unsere verschiedenen Körperteile, weil die zugewiesenen Hirnregionen Signale aus dem Körper verarbeiten. Bei verschiedenen Erkrankungen, wie z.B. nach Amputationen, können diese Hirnareale schrumpfen und das Körperschema ist nachweislich verändert. Das bedeutet, die Wahrnehmung der Körperregion ist verringert oder durch Missempfindungen, wie Kribbeln, Taubheit oder Schmerzen verändert. Die Spiegeltherapie nutzt die Plastizität (Veränderbarkeit) des Gehirns und organisiert die betroffenen Areale neu. Durch den Lerneffekt soll ein natürliches Körperschema wiederhergestellt werden.

Eine weitere Wirkweise ist die Funktion der Spiegelneuronen. Diese Nervenzellen sind beim Erkennen und Nachahmen von Bewegungen, sowie am motorischen Lernen beteiligt. Sie können unsere Bewegungsmuster neu programmieren und somit helfen Schmerzerfahrungen zu vermindern. Die Gehirnaktivität ist während der Benutzung des Spiegels geringer, als die eigentliche Bewegung der betroffenen Seite wäre. Dadurch werden Schmerzreize weniger aktiviert.

Voraussetzungen und Einsatzmöglichkeiten für eine Spiegeltherapie

Können Sie sich Bewegungen der betroffenen Seite gut im Geiste vorstellen? Wenn ja, können Sie sich der Illusion eher hingeben und nehmen das Spiegelbild ihres Armes oder Beines leichter als Ihr eigenes an. Dadurch ist die Wirkweise der Spiegeltherapie umso stärker. Da Spiegeltherapie viel Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit fordert, sollten die Einheiten nicht zu lange gewählt werden. Ein nachhaltiger Effekt tritt selten sofort ein. Daher gilt es geduldig mehrere Einheiten auszuprobieren.
Bei den folgenden Krankheitsbildern wurde Spiegeltherapie bereits mit einem guten Effekt eingesetzt:

  • CRPS (ehemals Morbus Sudeck)
  • Phantomschmerz
  • chronischen Schmerzen an Armen oder Beinen
  • Schlaganfall
  • Morbus Parkinson (neurologische Erkrankung)
  • Multiple Sklerose (neurologische Erkrankung)
  • Schädel-Hirn-Trauma oder Hirntumore
  • Nervenverletzungen
  • Fokale Handdystonie (Musikerkrampf)
  • Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen nach Knochenbrüchen

Beispiel für ein Übungsprogramm

Spiegeltehrapie Hand Kugel

Die Spiegeltherapie wird in vier Stufen aufgebaut. Im Folgenden werden Möglichkeiten der Spiegeltherapie für Hände und Füße für die verschiedenen Stufen dargestellt:

1. Betrachten des Spiegelbildes

Startposition: Der Arm/Fuß liegt oder steht bequem auf dem Tisch/Boden und Sie betrachten konzentriert das Spiegelbild der gesunden Seite. Durch das „aktive Wahrnehmen“ wird das Spiegelbild als eigenes Körperteil angenommen. Die verdeckte Seite darf für Sie nicht sichtbar sein.

2. Aktives Bewegen des nicht-betroffenen Körperteils

Halten Sie eine einfache Position und beobachten Sie konzentriert die Hand/den Fuß. Danach bewegen sie aktiv die nicht betroffene Seite mit kleinen/einfachen Bewegungen (Bsp. Hand zur Faust ballen oder Fuß hochziehen). Als weitere Steigerung können größere/komplexere Bewegungen auf der nicht betroffenen Seite in unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausgeführt werden. Langsamere Bewegungen können besser wahrgenommen werden und sollten am Anfang im Vordergrund stehen.

3. Leichte, beidseitige Bewegungen

Symmetrische, beidseitige Bewegungen analog zu den Punkten 1und 2 – von kleinen, einfachen und langsamen zu großen, komplexen und schnellen Bewegungen, mit und ohne Materialen.

4. Aktive Übung mit Therapiemitteln

Im weiteren Verlauf können unterschiedliche Materialen (Igelball, Handtuch, Pinsel, Linsenbad, …) und vor allem Alltagsgegenstände (Stift, Besteck) eingesetzt werden. Dabei können Sie aktiv den Gegenstand benutzen oder der Therapeut berührt Sie damit, um ihre Wahrnehmung zu schulen.

Trainingsprinzipien

Die Stufen werden nach Trainingsprinzipien – vom leichten zum Schweren, vom Bekannten zum Unbekannten, von Langsamen zum Schnellen oder vom Einfachen zum Komplexen – individuell orientiert an den Defiziten des Patienten aufgebaut. Dabei können Therapiemittel (Stufe 4), wie z.B. Igelbälle oder Handtücher auch schon in Stufe 2 genutzt werden.

Erweitertes Therapieprogramm

Graded Motor Imagery (GMI) ist ein Programm, das die Spiegeltherapie integriert. Es beinhaltet 3 Stufen des Lernens von schmerzreduzierten Bewegungen. Die erste Stufe ist die Bewegungsvorstellung, wobei Sie Bilder von Händen oder Füßen ansehen, und der linken oder rechten Körperseite zuordnen sollen (links-/rechts-Unterscheidung). In der zweiten Stufe sollen Sie anhand der zuvor benutzten Bilder sich die Bewegung an der betroffenen Seite nur vorstellen, ohne sie real auszuführen. Die dritte Stufe integriert die Spiegeltherapie. Jede Stufe sollte für zwei Wochen geübt werden und zu jeder vollen Stunde sollten Sie 10 Minuten üben. Treten vermehrt Nebenwirkungen auf, wird eine Stufe in der Therapie zurückgegangen. Viele Physio- und Ergotherapeuten nutzen heutzutage das GMI-Programm. Es bietet weitere Optionen zur Spiegeltherapie und kann ein wirksames Werkzeug in der Therapie sein.

Fazit

Spiegeltherapie kann ein effektives und nebenwirkungsarmes Training für Sie sein. Physio- und Ergotherapeuten setzen den Spiegel schmerzlindernd und bewegungsfördernd ein. Die Spiegeltherapie ist eine sehr aktive und intensive Therapie. Damit diese effektiv sein kann, werden Sie sowohl mental als auch zeitlich gefordert. Therapiefortschritte und Probleme sollten Sie regelmäßig mit einem Physio- oder Ergotherapeuten besprechen.