Meine Kolumne VII

Dirk-Stefan Droste – Der 49jährige Kölner ist Gründer des CRPS Netzwerk gemeinsam stark e.V., einer bundesweiten Patientenorganisation für CRPS. Er ist selbst an allen vier Extremitäten vom CRPS betroffen. Es begann nach einem Fußbruch 2012. Er arbeitet als Fachkoordinator in der Personalabrechnung einer großen Organisation der Wohlfahrtspflege.

Dirk-Stefan Droste

„Du hast CRPS? Denke einfach positiv!“

Kennst Du diese gut gemeinten Sätze, die meist kurz nach einer CRPS-Diagnose kommen? Zum Beispiel: „Du schaffst das schon! Du bist ein Kämpfer!“ Oder „Gebe nicht auf!“ Oder „Du wirst sehen, bald wirst Du wie ein Phönix aus der Asche auferstehen!“ Manchmal sind sie motivierend, manchmal aber auch eine Belastung. Als ich meinem damaligen Schmerzarzt kurz nach dem Start stolz von meinem „Baby“ CRPS Netzwerk – gemeinsam stark erzählte, war er zunächst skeptisch und sagte: „Hoffentlich geht es nicht in die Richtung „Man muss es nur wollen und positiv denken, dann wird es schon gehen.“ „Nein, so darf und wird es nicht sein“, sagte ich ihm damals und fühle mich auch fast zehn Jahre später noch an dieses Versprechen gebunden.

Positive Denkweise? Was ist das?

Und damit sind wir auch gleich beim Thema. Was bedeutet es eigentlich, wenn alle von einer positiven Denkweise sprechen? Genauer gesagt, was bedeutet es für CRPS-Patienten mit einer schlechten Prognose? Meine Antwort darauf ist: Für mich geht es vor allem um Lebensqualität. Wie betrachte ich das Leben und was ist mir wichtig? Lebensqualität und Einstellung sind für mich untrennbar miteinander verbunden. Wenn wir (vermeintlich) gesund sind, kümmern wir uns wenig um diese Themen, weil sie wie selbstverständlich vorhanden sind. Die Denkweise wird maximal genutzt, um sich selbst zu optimieren. Wenn man jedoch krank wird, bekommen diese beiden Faktoren einen ganz anderen Stellenwert.

Negative Gedanken sind Energieräuber

Das beginnt meist schon kurz nach der Diagnose. Oft kommen Gedanken auf, die uns zu schaffen machen und zu der Frage führen: „Warum ich?“ Seltsamerweise hatte ich diesen Gedanken am Anfang nicht, er kam erst fast zwei Jahre später, nach dem großen Schock des Therapieversagens bzw. des „Aus-Seins“ und der absolut lebensverändernden Entscheidung für Prothesen, die mir alles, wirklich alles abverlangte. Aber schauen wir uns die negative Kraft der Frage „Warum ich?“ einmal genauer an. Denn genau das strahlt sie aus: Negativität, die auch Energie raubt. Meine Erfahrung ist, dass in dieser ersten Phase, der Phase nach der Diagnose, der Blick zurück keinen Sinn macht. Ich muss es deutlich sagen: Die Krankheit ist da, sie gehört jetzt zu mir. Von nun an zählen der Moment und die Perspektive. Eine Perspektive gibt die Kraft, die man jetzt braucht. Und vor allem: Akzeptiere die Krankheit. In der Sprache der Psychologen wird dies oft als Akzeptanz der Diagnose bezeichnet. Die Alternative wäre, gegen etwas anzukämpfen, das sich nicht bekämpfen lässt – zumindest nicht so, wie man es sich wünscht. Medizinisch gesehen wird es hoffentlich funktionieren. Je früher diese Erkenntnis kommt, desto besser.

Bitte mal parken

Es ist ja nicht so, dass man sich einfach verfahren hat und nur umkehren muss, um den richtigen Weg zu finden. In dieser Situation geht es darum, neue Wege zu finden, wofür ein kühler, klarer Kopf gebraucht wird. Es stehen jetzt existenzielle Entscheidungen an, die man nicht „aus heiterem Himmel“ treffen darf. Ein lieber Freund benutzt dafür gerne das Bild eines Parkplatzes. „Dinge, die ich nicht verstehe, Dinge, die zu groß für mich sind, die parke ich im übertragenen Sinne erst einmal und komme später darauf zurück.“

Kampf oder Krampf?

Das Wort „Kampf“ bereitet mir zunehmend Schwierigkeiten. Ich habe schon oft gehört, dass ich ein echter Kämpfer bin, aber wie anstrengend ist es, immer kämpfen zu müssen? Die kämpferische Haltung impliziert nicht automatisch ein gutes Ende. Leider spielen dabei so viele Faktoren eine Rolle, einschließlich Glück und richtiger Ort zur richtigen Zeit. Kämpfen zu müssen, kostet Kraft, die meist nicht vorhanden ist, weil Körper und Geist stark gefordert sind. Ich denke, es ist besser zu sagen: Verliere nicht den Glauben an dich, deinen Körper, die Ärzte und die Medizin. Gib dich niemals auf! Ich möchte nicht ständig im Kampfmodus sein.

Die sogenannten Selbstheilungskräfte

Ich möchte auch die sogenannten Selbstheilungskräfte erwähnen. Meine Ärzte haben mir oft genug gesagt, dass meine positive Art und Lebenseinstellung einen Einfluss auf den Verlauf meiner Therapie hatten. Aber das ist nicht gesetzt, und Ideen wie „Na, dann hat er oder sie es wohl nicht richtig gewollt“ sind völlig fehl am Platz. Vielleicht ist es gut, manche Sachen einfach zu verdrängen, negative Prognosen zu überhören. Bei mir sind sie vor fast sieben Jahren abgeperlt, wie ein Wassertropfen in einer Teflonpfanne. „Gib dich niemals auf“ ist für mich mehr als nur ein Spruch.

Mein Energiespeicher

Eine Sache, die mir immer sehr gut geholfen hat, ist das Schreiben. Jeden Morgen schreibe ich 5-10 Minuten auf, was mir einfällt. Dann merke ich, wie sich meine Gedanken ordnen. Wenn ich spüre, dass ich die „Kellertreppe der Gefühle“ immer weiter hinuntergehe, schnappe ich mir meine Kladde und schreibe drauf los. Ansonsten empfiehlt es sich auch immer, das Gespräch zu suchen, ganz egal, ob mit einem Psychotherapeuten, dem Partner oder guten Freunden. „Wer seine Gedanken verbalisiert, verarbeitet die Erkrankung besser“, erklärte mir einmal mein Psychotherapeut.

Der Wissenschaft nach kann der Glaube Berge versetzen

Die Wissenschaft hat mittlerweile zahlreiche Studien, die den Ansatz der „guten Gedanken“ oder den Placebo-Effekt belegen. Ein Beispiel ist die Vorstellung von ausreichender Sauerstoffzufuhr in großer Höhe, die dazu führen kann, dass die Folgen eines Bergaufstiegs (Kopfschmerzen, verminderte Leistungsfähigkeit/ Höhenkrankheit) besser bewältigt werden. Auch die Erwartungen, der soziale Zusammenhang und das Setting spielen eine entscheidende Rolle. Unser Gehirn macht aus Worten und Bildern Chemie, und die Selbstwirksamkeitserwartung hat eine große Bedeutung für ein zufriedenes Leben.

Das eigene System

Wenn das Selbstsystem gut aufgestellt ist und man sich motivierende Vorbilder sucht, etwas Sinnstiftendes tut und sich in sozialen Interaktionen oder Gemeinschaften bewegt, kann man anstehende Herausforderungen gut meistern. Eine gute Selbstfürsorge und Achtsamkeit können auch Effekte auf die untere Kommandoebene im Gehirn haben, die dann Glücksbotenstoffe in den Körper schickt und Stressbotenstoffe weniger auslöst und damit auch nicht transportiert. Sowohl Glücksbotenstoffe als auch Stressbotenstoffe können das Herz-Kreislauf-System und das Immunsystem beeinflussen, was kein Hokuspokus ist. Jeder kann selbst etwas für sich tun, um sein Selbstsystem zu verbessern, da es steuerbar und erlernbar ist.

Mein persönliches Fazit:

Dunkle Gedanken können immer mal wieder auftauchen, aber sie sollten sich nicht dauerhaft im Kopf einrichten und das ganze System schwächen. Wie ein Sprichwort sagt: „Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel des Kummers und der Sorge über deinen Kopf fliegen. Du kannst aber versuchen zu verhindern, dass sie mit deinen Haaren Nester bauen.“