
Starke chronische Schmerzen kennen weder Stechuhr noch Nachtruhe. Daher ist eine „Rund-um-die-Uhr-Analgesie“ erforderlich, die einen erholsamen Schlaf ermöglicht. DGS-Präsident Dr. Johannes Horlemann aus Kevelaer erläuterte beim Deutschen Schmerzkongress 2024, wie Sie analgetische Wirklücken verhindern können.
Erst der Schmerz, dann die Schlafstörung
Laut Dr. Horlemann sind Insomnie, Hypersomnie, die zirkadiane Schlaf-Wach-Rhythmus-Störung sowie substanz-/medikamenten-induzierte Schlafstörungen die häufigsten Störungen nach DSM 5, die bei chronischen Schmerzen relevant sind.
Dr. Horlemann berichtete, dass Durchschlafstörungen (allogene Schlafstörungen) aufgrund nachtbetonter Schmerzausprägung oft auftreten bei Patientinnen und Patienten mit:
- Neuropathien, z. B. Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie
- ISG-Arthritis, Facettenarthritis, Arthrosen der großen Gelenke
- Knochenmetastasen (Umlagerungsschmerz), seltener bei Paraneoplasien
- myofaszialen Schmerzsyndromen (seltener betroffen)
Laut dem Experten leiden bis zu 70 % seiner Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen unter Insomnie. Eine gute Schlafqualität sei wichtig, da die Patientinnen und Patienten dann besser mit dem Schmerz umgehen könnten. Langfristig verstärke sich die Insomnie, wenn Betroffene keine adäquate Medikation erhalten, so Dr. Horlemann.
Morphin in niedriger Dosis kann in besonderen Fällen den Schlaf verbessern
Eine randomisierte kontrollierte Studie mit 48 Teilnehmenden (davon 87 % mit COPD) zeigte, dass die off-label Gabe von niedrigdosiertem retardiertem Morphin bei refraktärer Atemnot in der Palliation nicht nur Schmerzen und die nächtliche Atemnot, sondern auch den Nachtschlaf signifikant verbessern kann. Eine langfristige Einnahme von hochdosierten Opioiden könne hingegen Insomnie und das Schlaf-Apnoe-Syndrom verstärken, so Dr. Horlemann.
Diese Ergebnisse sind relevant, da ein besserer Schlaf zur Linderung der Schmerzsymptomatik führen könne, so der Experte. Doch wie wählt man das Opioid aus, welches sowohl eine Schmerzlinderung als auch den Erhalt der Schlafarchitektur leisten kann?
Mit Opioiden gut durch die Nacht kommen: Darreichungsform entscheidend
In den Leitlinien werde gefordert, dass ein Patient, der 24h Schmerzen hat, mit einer 24h- Galenik behandelt wird, erklärte Dr. Horlemann. Er bezog sich dabei auf die DGS-Praxisleitlinie „Tumorschmerz“, die bevorzugt zur Gabe von langretardierten Opioiden mit 24h-Galenik rät.
Im November 2022 hat die DGS ihre Praxisleitlinie überarbeitet. Die Autoren um Dr. Horlemann und Norbert Schürmann empfehlen erstmals die Gabe eines langwirksamen retardierten Opioids (LAO) mit 24h-Retardierung. Die DGS rät vorzugsweise zu Hydromorphon (günstiges pharmakokinetisches Profil und vergleichsweise gute Verträglichkeit unter den Stufe-III-Opioiden) mit 24h-Wirkung, um End-of-dose-Schmerzen entgegenzuwirken oder diesen bereits im Rahmen der Initialtherapie vorzubeugen.
Weshalb langwirksame Opioide und& was sind die Vorteile?
LAO mit 24h-Retardierung als elementare Säule einer verträglichen Langzeitschmerztherapie wirken über die gesamte Schlafdauer und können die Compliance erhöhen. Der langfristig stabile „steady state“ wirke der Schmerzchronifizierung entgegen.
Unter der 2x täglichen Opioid-Gabe erwachen Patientinnen und Patienten oft schmerzbedingt in der Nacht. Mit der 24h-Darreichung könne er Betroffene besser durch die Nacht bringen, so Dr. Horlemann. Der Steady State in der 1x täglichen Gabe bringe weitere Vorteile, wie z. B. bei vielen Patienten den Erhalt der Fahrtüchtigkeit, mit sich, ordnete Dr. Horlemann beim Schmerzkongress ein.
„Die meisten Opioide können starke Schmerzen nicht über 24h abdecken“
Die DGS weist in ihrer Leitlinie darauf hin, dass sich generische Retardpräparate mit Hydromorphon erheblich in ihren pharmakologischen Eigenschaften voneinander unterscheiden. Derzeit seien 8 Präparate mit Hydromorphon verfügbar – doch die Unterschiede bezüglich der Wirkstofffreisetzung seien erheblich, attestierte Dr. Horlemann. „Uns war wichtig, wie sich die Galenik der Freisetzung darstellt.“
Er erklärte: Laut einer DGS-Studie senkte Hydromorphon mit 2x täglicher Gabe die Quote von Schmerzen am Ende des Dosisintervalls bereits auf 20,9 % vs. andere Medikationen. Die 1x tägliche Gabe (Hydromorphon(R)) minimierte das Risiko für Schmerzen am Ende des Dosisintervalls auf 7,4 % – das könne keine andere Freisetzung, so Dr. Horlemann.
Fragen, Fragen und nochmals Fragen
Und was hilft noch? Simple Fragen im Patientengespräch. Dr. Horlemann spricht im Erstgespräch bereits jeden Betroffenen auf die Schlafarchitektur an:
- Bestehen Veränderungen Ihres Schmerzes im 24h-Tag-Nacht-Rhythmus?
- Wann gehen Sie zu Bett? Wann wachen Sie auf? (Gesamtschlafdauer)
- Wird Ihr Schlaf unterbrochen? Wegen Schmerzen?
- Mittagsschlaf, ja oder nein?
- Fühlen Sie sich tagesfrisch?
Eine gelungene Schmerztherapie sei nicht nur die Reduktion des Schmerzes, sondern auch die Wiederherstellung der Lebensqualität: „Und wenn der Patient tagsüber wieder ein Kreuzworträtsel machen kann, dann haben wir unser Ziel erreicht“.
14.04.2025

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