Freitag, 29. August 2025 / rme

San Francisco – Eine neue Variante der tiefen Hirnstimulation (THS) hat in einer ersten Studie die Schmerzen bei mehreren Patientinnen und Patienten mit langer Schmerzanamnese gelindert.
Bei dieser neuen Form der THS wird zunächst mit mehreren intrakraniellen Elektroden nach den an der Schmerzverarbeitung beteiligten Zentren gesucht – erst nach dem Eintreffen von Schmerzsignalen werden diese dann später über permanente Elektroden stimuliert. Die Ergebnisse wurden auf dem Preprint-Server MedRxiv (2025; DOI: 10.1101/2025.08.11.25333010) noch ohne Peer-Review veröffentlicht.
Seit den 1960er-Jahren wird versucht, chronische Schmerzen durch eine elektrische Stimulierung (und damit Blockade) der Nervenbahnen und Nervenzentren im Gehirn zu lindern, die für die Leitung und die Verarbeitung der Schmerzreize zuständig sind. Die Erfahrungen sind unterschiedlich.
Mehrere Schmerzregionen statt eines Schmerzzentrums
Die Behandlung wird dadurch erschwert, dass es das eine Schmerzzentrum im Gehirn nicht gibt. Neben dem sensorischen Thalamus und dem periventrikulären Grau, die eine Schlüsselrolle bei der endogenen Opioidfreisetzung und der aufsteigenden Schmerzübertragung spielen, wurden zuletzt weitere „Hubs“ entdeckt, die über absteigende Schaltungen an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind. Dazu gehören der anteriore cinguläre Cortex, die Inselrinde, der ventromediale präfrontale Cortex, die Basalganglien und der centromediane Thalamus.
Ein Team um Prasad Shirvalkar von der Universität von Kalifornien in San Francisco entschloss sich daher, bei Betroffenen nach den individuellen Zentren der Schmerzverarbeitung zu suchen, bevor permanente Elektroden implantiert werden.
In einer Pilotstudie erhielten die Patientinnen und Patienten zunächst 8 temporäre Elektroden in verschiedenen Hirnregionen vorgeschoben (plus 2 oberflächige Elektroden über dem sensorischen und motorischen Cortex). Diese gaben dann über 10 Tage probeweise elektrische Impulse ab. Außerdem wurden die mit den Schmerzreizen verbundenen EEG-Signale über die Elektroden registriert.
Bei einer 2. Operation erhielten die Studienteilnehmenden dann auf beiden Hemisphären jeweils 2 permanente Elektroden: eine Elektrode zur gezielten Stimulierung des individuellen Schmerzzentrums, die andere zur Registrierung der individuellen Schmerzsignale.
Das Ziel war, die Hirnstimulation nur dann zu aktivieren, wenn die Patienten Schmerzen hatten. Dies sollte vermeiden, dass die Wirksamkeit der tiefen Hirnstimulation mit der Zeit nachlässt, was bei der konventionellen Hirnstimulation häufig der Fall ist.
An der Studie nahmen 3 Männer und 3 Frauen im Alter von 48 bis 58 Jahren teil: 3 von ihnen litten nach einem Schlaganfall unter chronischen Schmerzen, ein Patient hatte ein komplexes regionales Schmerzsyndrom, bei einem anderen war eine Chemotherapie und bei einem weiteren eine Rückenmarkverletzung die Ursache der chronischen Schmerzen. Diese hatten bei allen Teilnehmenden nicht auf konventionelle Therapien angesprochen.
Um eine Placebowirkung auszuschließen, wurden die Elektroden zeitweise ausgeschaltet – ohne dass die Patientinnen und Patienten dies wussten. Primärer Endpunkt der Studie war die Entwicklung der Schmerzen auf einer visuellen Analogskala von 0 bis 100 mm.
Wie Shirvalkar berichtet, kam es bei 5 der 6 Studienteilnehmenden zu einer deutlichen Linderung der Schmerzen, die allerdings von Fall zu Fall zwischen 20 mm und 60 mm schwankte – sich aber deutlich von den Schmerzen während der Scheinstimulierung unterschied. Bei dem 6. Patienten erzielte die Behandlung keine Wirkung.
Bei den anderen 5 Teilnehmenden hielt die Wirkung bisher über 2 bis 3,5 Jahre an. Shirvalkar macht für den Erfolg auch die „Close-loop“-Stimulierung verantwortlich. Sie aktiviert die Elektroden nur, wenn bestimmte EEG-Signale mit den Messelektroden registriert wurden.
Dies war bei den Patientinnen und Patienten während 7 % bis 55 % der Zeit der Fall. Für die Bestimmung dieser Biomarker hatte das Team die Signale der EEG mit einer Künstlichen Intelligenz (maschinelles Lernen) auswerten lassen.
Die 2-malige Operation und die Implantation mehrerer Elektroden erhöhten indes das Komplikationsrisiko. Eine Patientin erlitt eine Infektion, woraufhin die Elektroden auf einer Seite des Gehirns entfernt wurden, bei einem weiteren Patienten kam es über Monate zu Sprachproblemen, ein 3. erlitt zwischenzeitig einen epileptischen Anfall.
Das Team überprüfte allerdings nicht nur die neue THS-Variante, sondern machte ganz nebenbei auch noch eine Entdeckung: So fanden die Forschenden mit dem Globus pallidus internus und dem linken Nucleus caudatus 2 weitere Hirnregionen, die bisher nicht mit der Schmerzverarbeitung in Verbindung gebracht wurden.
01.09.2025

#crpsselbsthilfe #CRPSgehtallean #chronischeschmerzen #Nervenentgleisung #morbussudeck #ehrenamt #selbsthilfe #gemeinsamstark #chronicpain #pain #crpsawareness #ColorTheWorldOrange #CRPSOrangeDay #reflexdystrophie