Kolumne

Meine vierte Kolumne

Die Wichtigkeit von Gruppentreffen | Begleitpersonen bei Untersuchungs- und Gutachterterminen

Die anhaltende Corona-Pandemie verbietet leider weiterhin persönlich Gruppentreffen unseres Netzwerks. Aber genauso wie die unzähligen Einzelhandelsgeschäfte und gastronomische Betriebe dürfen sie in Deutschland weiterhin nicht stattfinden, obwohl über das vergangene Jahr unzählige gute Hygienekonzepte erstellt wurden. Hingegen werden dieses Mal in der Öffnungsstrategie die Friseure bevorzugt, so dass diese zum Monatswechsel wieder Kunden bedienen dürfen. Aber die einhellige Frage dabei ist, was bei einer freiwilligen Entscheidung, sich frisieren zu lassen, einen Grund zur Bevorzugung darstellt. Tausende von Patienten mit einer seltenen Erkrankung bleiben mit ihrer Erkrankung allein zu Hause. Natürlich bieten Selbsthilfegruppen und auch das CRPS Netzwerk weiterhin Beratung und Unterstützung über die Telefonhotline an. Daneben können Betroffene und Angehörige über die Chatfunktion unserer Webseiten und natürlich auch schriftlich per E-Mail Kontakt zu uns aufnehmen. Es hat sich aber über die vergangenen zwölf Monate gezeigt, dass viele Menschen doch größere Hemmnisse bei dieser Art von Kommunikation haben. Das kann zum einen an technischen Anforderungen und zu wenig Computerkenntnissen liegen. welche auch ohne die Pandemie manche Menschen alleine mit ihrer Erkrankung lassen. Oder auch die Sorge über die Pandemie hält anscheinend einen Großteil von erkrankten Personen zurück, die angebotene Hilfe auf anderen Wegen als über das persönliche Gespräch bei Gruppentreffen anzunehmen. Vor der Pandemie konnten unsere Orts- und Landesgruppen teilweise monatlich oder ansonsten zweimonatlich persönliche Gruppentreffen in vielen Städten in Deutschland anbieten und dort gerade Menschen mit einer noch frischen Diagnosenstellung persönlich über die Krankheit informieren und ihnen Tipps zu Ärzten, Kliniken und Therapien zu geben. Das CRPS Netzwerk hat bereits sehr früh im vergangenen Jahr ein Hygienekonzept für seine Selbsthilfegruppen vorgestellt, mit dem es möglich ist, mit Alltagsmaske, Hygiene und ausreichend Abstand sowie regelmäßigem Lüften Gruppentreffen zu veranstalten. Die Teilnehmer der Gruppentreffen haben bereits sehr viel mit ihrer chronischen Erkrankung zu tun, und achten besonders darauf, sich nicht auch noch mit einer zusätzlichen Infektion anzustecken. Daneben wäre die Öffnung von Kleinveranstaltungen mit 10 bis etwa 25 Teilnehmern auch ein Licht am Ende des Tunnels der Pandemie.  

Durch Berichte von Betroffenen erfahren wie fast täglich, dass Betroffenen bei Gutachter- und Untersuchungsterminen die Anwesenheit einer Begleitperson verweigert wird. Dabei hat das OLG Hamm (14 UF 135/14 v. 03.02.15) bestätigt, dass Patienten nach §40a Abs. 1 ZPO das Recht haben, eine von ihm gewählte Begleitperson in angemessener Hörweite bei Gesprächen dabei zu haben. Denn die zu begutachtende Person ist aufgrund der vorliegenden chronischen Erkrankung und der sehr hohen Schmerzmedikation oftmals nicht in der Lage, solche Gespräche alleine durchzuführen. So können spätere Differenzen selten oder gar nicht geklärt werden, weil niemand weiteres über die Inhalte des Gesprächs/der Untersuchung bescheid weiss. Wir empfehlen unseren Betroffenen grundsätzlich nicht alleine in Arzt- oder Gutachtergespräche zu gehen und immer eine Begleitperson mitzunehmen. Leider wird dem Wort des Gutachters/Arztes bei Unklarheiten eine höhere Relevanz zugestanden. Natürlich hat jeder Arzt oder Gutachter in seiner Praxis das Hausrecht und kann entscheiden, wer bei den Gesprächen dabei ist. Aber das angeführte Urteil zeigt, dass Patienten durchaus berechtigt sind, die Untersuchung abzubrechen bzw. in diese gar nicht erst einzutreten. In den allermeisten Fällen wird als Begründung die Corona-Pandemie vorgeschobene. Bei bestehenden Hygienekonzepten in Praxen ist nicht von einer erhöhten Infektionsgefahr durch eine Begleitperson mit Maske und Abstand auszugehen. Viele Betroffene beklagen bei uns auch, dass sich bei Untersuchungen ohne Begleitperson viele Ärzte über ausgesprochene Vorsichtsmaßnahmen – wozu das Verbot eines Anfassens der betroffenen Extremität gehört – hinwegsetzen, weil es angeblich für eine Untersuchung notwendig ist. Die bestehende Leitlinie mit den sog. Budapestkriterien beinhaltet keine Notwendigkeit eines direkten Kontakts mit dem betroffenen Arm oder Bein. Berührungen von CRPS Extremitäten verursachen meistens erhöhte Schmerzen beim Patienten nicht nur bei der Untersuchung sondern auch stunden- oder tagelang danach und leider treten die Beschwerden nicht direkt sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt statt. Jetzt könnte man meinen, dass das Kriterium des Temperatunterschieds einer betroffenen im Vergleich zur gesunden Seite nur mit einem aufzubringenden Thermometers möglich ist. Aber heutzutage sind berührungsfreie Thermometer gang und Gäbe, wie sich durch die Pandemie gezeigt hat. Denn diese Geräte werden an vielen Orten eingesetzt, um eine Fiebertemperatur festzustellen. Wir fordern daher Gutachter und Ärzte auf, Patienten die Begleit- und Vertrauensperson zu gestatten. Diese sollten sich im Umkehrschluss nicht wundern, wenn Patienten Untersuchungen oder Begutachtungen nicht antreten, wenn die Ärzte und Gutachter Begleit- und Vertrauenspersonen nicht zulassen.

Schönen Tag noch und passt auf Euch auf, denn Corona geht um.

Bis demnächst, und bleibt gesund!

Euer Stefan

Dirk-Stefan Droste – Der 49jährige Kölner ist Gründer des CRPS Netzwerk gemeinsam stark e.V., einer bundesweiten Patientenorganisation für CRPS. Er ist selbst an allen vier Extremitäten vom CRPS betroffen. Es begann nach einem Fußbruch 2012. Er arbeitet als Fachkoordinator in der Personalabrechnung einer großen Organisation der Wohlfahrtspflege.

Dirk-Stefan Droste