Merkur.de: Bewegender Vortrag in Marzling über eine besonders heimtückische Krankheit

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Erstellt: 09.03.2023, 14:00 Uhr

Seltene Erkrankungen: In Marzling gab es jetzt einen Vortrag zum „komplexen regionalen Schmerzsyndrom“ (CRPS). Und dazu ein ergreifendes Beispiel.

(c) Lehmann

Marzling – Das Thema „Seltene Erkrankungen“ beschäftigt den Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer (CSU) schon länger, wobei zweierlei Ereignisse seinen Blick diesbezüglich nochmal geschärft haben – nämlich die eigene Infektion und Erkrankung an Covid-19 und die nachhaltige Begegnung mit Eva Luise und Horst Köhler, die sogar eine Stiftung für Seltene Erkrankungen ins Leben gerufen haben (wir berichteten).

Um diese weitgehend kaum beachteten Krankheitsbilder deutlich sichtbarer zu machen, „schenkte“ Irlstorfer den Kommunen seines Wahlkreises je eine dieser Seltenen Erkrankungen – sozusagen als freie Patenschaft für etwa Vorträge. Im Marzlinger Bürgersaal konnten sich so am Montag Interessierte über das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) informieren – eine Erkrankung, bei der die Nervenzellen überreagieren und ein Dauerfeuer abgeben.

Irlstorfers Ziel ist ein bayernweites Hilfsnetz

Irlstorfer ist es sehr ernst mit dem Anliegen, die sogenannten Seltenen Erkrankungen bekannter zu machen und damit möglicherweise sogar ein bayernweites Netzwerk von und für Betroffene zu schaffen. Weil ihm aber auch vorgeworfen werde, Wahlkampfveranstaltungen in die Gemeinden zu tragen, fand er klare Worte: „Ich bin nicht bereit, damit Parteipolitik zu betreiben.“

Hingegen äußerst bereit, darüber Auskunft zu geben, was das CRPS überhaupt ist, war Dr. Constanze Quaisser-Kimpfbeck vom MVZ Klinikum Freising. Vereinfacht gesagt: Das CRPS ist ein chronisches neuropathisches Schmerzbild, das auf ein Trauma wie etwa eine Weichteil- oder Knochenverletzung, vorwiegend an Extremitäten, folgt. Das Prägnante: Der Schmerz dauert länger und ist stärker, als bei der jeweiligen Verletzung eigentlich zu erwarten wäre.

Aber es ist nicht nur der Schmerz, mit dem die Betroffenen laut Quaisser-Kimpfbeck zu kämpfen hätten, sondern weitere Begleiterscheinungen, nämlich autonome, sensorische und motorische Störungen. Heißt im Klartext: An den Extremitäten kommt es zu unter anderem zu Gefühlsstörungen in punkto Hitze oder Kälte, dazu können Ödeme auftreten oder Verkrampfungen, wie auch etwa zu starkes oder kaum noch Nagelwachstum. „Das CRPS ist entweder zu viel oder zu wenig“, erläuterte die Fachärztin, die auch ein Beispiel nannte: „Es kommt beispielsweise zu Körperwahrnehmungsstörungen – für die einen ist der betroffene Arm vom Gefühl her nicht mehr dazugehörend, ein anderer Patient nimmt den Arm hingegen als riesigen Ballon wahr.“

Das ergreifende Beispiel eines erkrankten Mädchens

Wie einschränkend das CRPS in schweren Fällen sein kann, machte Quaisser-Kimpfbeck an einem Beispiel fest, das jeden der über 30 Zuhörer ans Herz ging: „Ein zehnjähriges Mädchen knickte beim Sport mit dem Fuß um, daraus entwickelte sich ein CRPS-Vollbild mit Ödemen, Schmerzen und dann kam es auch noch zu einer Spiegelbildung.“ Heißt: Die Symptome traten auch am nicht verletzten Fuß auf und später sogar an einer Hand.

Ein wichtiger Schlüssel der Behandlung sei das Zeitfenster, denn je früher das CRPS erkannt wird, desto besser stehen die Erfolgschancen. Heutzutage beuge man CRPS allerdings schon bei Operationen vor, wie die Ärztin erklärte, sozusagen präoperativ, unter anderem durch Schmerzkatheter. Was auch fundamental ist: Eine multimodale Behandlungsstrategie neben der medikamentösen Therapie bei diagnostizierten CRPS mit Verhaltens- Kunst- und Krafttherapieformen – und ganz wichtig, der Physiotherapie.

„Es ist nicht sinnlos, was wir hier machen“

Das A und O sei laut der Fachärztin freilich ein gut aufgeklärter und informierter Patient. Diesbezüglich gab es dann auch ein Paradebeispiel vor Ort, nämlich die Schmerzpatientin Kerstin Schulz, Sprecherin der Agenda-Gruppe „Menschen mit Behinderung“.

Von diversen Schmerzen kann Schulz nämlich durchaus ein Lied singen, allerdings sei sie gut vernetzt und deshalb bestens informiert über alle möglichen Therapieformen.

Genau hier könnte Irlstorfers Plan im Glücksfall durchaus aufgehen, nämlich ein starkes Vernetzungsforum für Seltene Erkrankungen zu etablieren, das schlichtweg ein Segen sein könnte für Betroffene. Weshalb er von Einem auch ganz und gar überzeugt ist: „Es ist nicht sinnlos, was wir hier machen“.

Quelle: https://www.merkur.de/lokales/freising/marzling-ort377194/bewegender-vortrag-in-marzling-ueber-eine-besonders-heimtueckische-krankheit-92132462.html

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