Postoperative Schmerztherapie
Appell an orthopädisch Tätige
Sorgen Sie für eine ausreichende postoperative Schmerzlinderung!
verfasst von: Dr. Elke Oberhofer
Um Orthopädiepatienten und -patientinnen vor starken postoperativen Schmerzen zu bewahren, empfiehlt es sich, bereits vor dem Eingriff bestimmte Risikofaktoren abzuklären. Welche das sind und welche Substanzen im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie empfohlen werden, schilderte der Schmerzexperte Winfried Meißner auf dem Ortho-Trauma-Update.
„Orthopädische Eingriffe spielen mit in der ersten Liga der schmerzhaftesten Operationen“, so Prof. Winfried Meißner, Leiter der Sektion Schmerztherapie am Universitätsklinikum Jena. Meißner und sein Team hatten vor Jahren die Schmerzintensität am jeweils ersten Tag nach 179 verschiedenen operativen Eingriff verglichen. Nach Auswertung von 50.523 Datensätzen belegten orthopädische Operationen 15 der Top-20-Plätze, darunter Wirbelsäulenoperationen, aber auch angeblich „kleine“ Eingriffe wie Arthrodesen am Sprunggelenk oder an der Hand.
In einer aktuell im Deutschen Ärzteblatt erschienenen Studie hatte die Gruppe nach Wundschmerzen am dritten Tag nach verschiedenen ambulanten Eingriffen gefragt. Der Anteil mit starken Schmerzen lag hier bei insgesamt über 22% (von 330.000 Operationen), und auch hier waren orthopädische Eingriffe ganz vorne mit dabei.
Beim wem ist das Schmerzrisiko erhöht?
Viel hänge bei den postoperativen Schmerzen offenbar von patientenseitigen Faktoren ab, so Meißner. In einer Metaanalyse über 45 Studien wurde nach Prädiktoren für „überdurchschnittlich starke Schmerzen“ nach einem operativen Eingriff geschaut. Dabei kristallisierten sich folgende Risikofaktoren heraus:
- jüngeres Alter,
- weibliches Geschlecht,
- bereits präoperativ bestehende Schmerzen,
- die präoperative Einnahme von Analgetika,
- Depressionen, Angst und/oder Stress sowie
- Schlafstörungen.
Meißner empfahl, diese Faktoren nach Möglichkeit präoperativ zu erfragen und bei Betroffenen postoperativ besonders gut auf Schmerzen zu achten. Einen konkreten Score – analog etwa zum Apfel-Score zur Einschätzung des Risikos von postoperativer Übelkeit und Erbrechen – gebe es zwar noch nicht, jedoch könne man wohl in ein bis zwei Jahren damit rechnen.
Funktionelle Kriterien abfragen!
Auch bei der postoperativen Schmerzerfassung muss es nach Meißner einen Paradigmenwechsel geben. Statt nur „auf die NRS-Skala zu starren“, die in der Praxis oft keine realistischen Werte liefere, riet der Anästhesist, funktionelle Kriterien einzubeziehen. In Meißners eigener Klinik sind Pflegekräfte angehalten, den frisch Operierten folgende Fragen zu stellen:
- Behindert der Schmerz die Mobilisierung?
- Hindert er am Husten? (Diese Frage betrifft allerdings eher Bauch- und Thoraxeingriffe)
- Sind Sie letzte Nacht wegen Schmerzen aufgewacht?
Werde nur eine der drei Fragen mit ja beantwortet, müsse die Schmerztherapie verbessert werden, forderte Meißner.
Warnhinweis unter Metamizol
Welche Substanzen in der postoperativen Situation geeignet sind, steht in der S3-Leitlinie „Akutschmerztherapie“. Diese empfiehlt Metamizol, NSAR und COX-2-Hemmer als generell gleichwertig in der analgetischen Wirksamkeit – nicht aber bei den Nebenwirkungen. Im Zusammenhang mit Metamizol wird vor allem vor einer möglichen Agranulozytose gewarnt. Meißner sieht dies differenziert: „Ganz sicher sterben weltweit mehr Menschen an Ibuprofen als an Metamizol.“ Andererseits sei es enorm wichtig, Warnzeichen rechtzeitig zu erkennen. Drei frühe Hinweise auf eine Agranulozytose sind laut Meißner für die Praxis essenziell:
- Fieber,
- Halsschmerzen,
- Mukositis.
In solchen Fällen müsse umgehend alles abgesetzt werden, was Blutbildveränderungen macht. „Wir hatten gerade einen jungen Mann, der nach Implantation einer Hüftgelenkprothese in der Rehaklinik mit Fieber auffällig wurde“, berichtete Meißner. Das Fieber wurde ausgerechnet mit Metamizol weiterbehandelt. Der Patient entwickelte daraufhin ein Multiorganversagen, an dem er nach Verlegung in die Uniklinik starb.
Ibu plus Paracetamol: Die Kombi machtˈs!
Neu in der Leitlinie ist die Empfehlung, Ibuprofen mit Paracetamol zu kombinieren, beides in sehr niedriger Dosierung (z. B. Ibuprofen 200 mg + Paracetamol 500 mg). Nach Meißner werden damit „erstaunliche Erfolge“ in der Behandlung postoperativer Schmerzen erzielt – obwohl Paracetamol allein eigentlich kaum schmerzlindernd wirkt. Die Nebenwirkungen einer solchen Kombination sind offenbar sehr gering. „Ich erwarte in Zukunft mehr Daten, die zeigen, dass solche Kombipräparate Metamizol oder Ibuprofen allein ersetzen können“, prophezeite Meißner.
Ein konkretes Problem könne sich aus der zunehmenden Ambulantisierung auch bei den orthopädischen Eingriffen ergeben. „Wenn wir Patienten mit starken Opioiden nach Hause schicken, müssen wir sicherstellen, dass es rechtzeitig abgesetzt wird“, warnte der Experte. Hierfür müsse ggf. ein Screening in Form von Hausbesuchen organisiert werden. Opioide seien zwar ein wichtiger Bestandteil der multimodalen Schmerztherapie. Um zu verhindern, dass es zu einer Opioidepidemie wie in den USA komme, sei aber ein verantwortungsvoller Umgang äußerst wichtig.
Lidocain und Ketamin mit Leitlinienempfehlung
Große Erwartungen liegen derzeit bei den sogenannten Koanalgetika, insbesondere intravenöses Lidocain, Ketamin und Gabapentinoiden. Für alle drei konnte gezeigt werden, dass sie bei perioperativer Verabreichung sowohl Schmerzen als auch den postoperativen Opioidkonsum senken. Unter Gabapentin und Pregabalin könne es jedoch zu Schwindel und Sehstörungen kommen, schränkte Meißner ein. Daher votiert die Leitlinie derzeit nur für i.v. Lidocain und Ketamin.
Basierend auf: Vortrag W. Meißner, 15. Orthopädie-Unfallchirurgie-Update, 23./24. Februar 2024, Berlin/Livestream
14.03.2024
Referenz:
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